Kapitel 02: Grundlagen

Objektive

Augen auf! Linsen sind überall

Golden Gate  bridge seen through a window on a rainy day
Golden Gate Bridge in Raindrops

Im obigen Bild ((C) : Wikipedia : http://commons.wikimedia.org/wiki/File:GGB_reflection_in_raindrops.jpg) sieht man im Hintergrund unscharf die Golden Gate Brücke und im Vordergrund diverse Regentropfen.

Was können wir aus dem Bild lernen?

  • Als Mensch mit unseren flexiblen Augen haben wir oft das Gefühl, alles scharf zu sehen. Hier sind aber offenbar manche Bereiche im Bild scharf gestellt, andere nicht.
  • Die Form der Tropfen beeinflusst das entstehende Bild.
  • Die Bilder sind kleiner als der unscharfe Hintergrund.
  • Es gibt mehrere (!) Bilder des Brückenausschnitts. 
Intuitiv gehen wir davon aus, dass das Licht eines Objektpunkts den direkten Weg in unser Auge nimmt.
    Licht des Brückenpfeilers gerät aber offenbar auf unterschiedlichsten „Flugwegen“ in unser Auge.
  • Die Ausschnitte stehen auf dem Kopf.

Da es Objektive gibt, die Bilder „nach Wunsch“ erzeugen können, muss es eine Strategie geben, die Auswirkung von Linsen vorherzusagen.

Ein Modell muss her 🙂

Objektivmodell

Licht ist ständig um uns. Wir orientieren uns mit unseren Augen. Licht ist selbstverständlich für uns. Tagsüber sehen wir Farben, spüren wir die Wärme der Sonne, nachts sehen wir bei klarem Himmel die Sterne. Wir sehen sogar Licht wo gar keines ist, wenn wir etwa direkt in die Sonne geschaut haben und diese bei geschlossenen Augen immer noch nachleuchtet.
Jeder kennt Phänomene wie Wassertropfen, Regenbogen, Schnee, schillernde Rückseiten von CDs, eine Lupe oder das Spiegeln der Sonne auf der Oberfläche von Wasser.

So selbstverständlich diese Dinge für uns sind, es gibt kein einzelnes Modell vom Licht, was alle diese Phänomene gleichzeitig erklärt!

Das einfachste Modell geht von Licht“strahlen“ aus. Man kann mit Hilfe des Modells viele optische Phänomene erklären. Das Modell ist zwar nicht genau, aber hinreichend gut für die Erklärung vieler Phänomene.

Vergleich entozentrisch – telezentrisch – perizentrisch

Die allermeisten Objektive funktionieren so, wie wir das von unseren eigenen Augen kennen: Dinge die näherkommen, scheinen grösser.
Solche Objektive heissen „entozentrisch“.
Es gibt aber Objektive, die die Grösse von Gegenständen konstant halten („telezentrisch“), und sogar Objektive, die nahe Dinge kleiner abbilden und weiter entfernte grösser („perizentrisch“,“hyperzentrisch“)!

Es gibt zig-tausende Objektive – warum eigentlich?

Linsen gibt es seit ca. 3000 Jahren (siehe etwa engl. Wikipedia unter „Nimrud lens“)
Sucht man heute in Suchmaschinen nach „Objektiv“ oder „lens“, so erhält man z.T. über 100 Millionen Treffer.
Wenn man also wirklich auf der Suche nach einem Objektiv ist, möglichst noch optimal für eine Aufgabenstellung geeignet, steht man vor einem „kleinen“ Problem.
Schaut man sich diese Unmenge von Treffern an, kann man schon mal ablesen, dass sich offenbar aus irgendwelchen Gründen keine Objektive einer Marke oder eines Typs am Markt durchgesetzt haben, sondern dass es eine riesige Vielfalt gibt.
Entstanden ist diese Vielfalt wie folgt:

Geldgründe

Lange bevor es industrielle Bildverarbeitung gab, existierte die Hobby- und professionelle Fotografie.
Kameras kann man zwar günstig mit einem fest eingebauten Objektiv herstellen, aber viel spannender wird es für die Kunden
- aber auch für die Hersteller – wenn man die Objektive wechseln kann.
Viele der Spiegelreflexkameras kamen damals wie heute aus Japan. Man kann im Hobby- und Profibereich
naturgemäss mehr Objektive als Kameras verkaufen.
Objektive sind also eine zusätzliche Möglichkeit für Kamerahersteller, Geld zu verdienen …
vorausgesetzt, man kann die Kunden „irgendwie“ an sich binden.
Und wie könnte man das besser (und einfacher) machen, als eine eigene Befestigungsmöglichkeit („Mounts“) für Objektive an Kameras zu entwickeln.
Eine „kleine“ Übersicht über (nur) ca. 50 (!) Typen findet man etwa [hier ] …
Die Entwicklung geht sogar soweit, dass ein und derselbe Kamerahersteller mehrere (!) Mounts definiert.
Objektive, die dann von den Glasbestandteilen her identisch sind, können so durch unterschiedliche mechanische Anschlüsse mehrmals verkauft werden. Nennt sich „Kundenbindung“ 😉

Projektabhängig Randbedingungen

Je nach Aufgabenstellungen ist man interessiert, einen möglichst grossen oder möglichst kleinen Bereich zu fokussieren (=scharf zu stellen ) oder dass möglichst viel im Bild ist (Überwachungstechnik) oder möglichst wenig (Mikroskopie). Im einen Projekt braucht man ein „perfektes Bild – koste es was es wolle“ (IC fertigung), im nächsten Moment wird ein Objektiv für ein Spiel gebraucht, dessen optische Qualität nicht so die Rolle spielt, der Preis aber sehr wohl. Das nächste Objektiv muss leichter als z.b. 40 g sein oder darf eine Baulänge von 15mm nicht überschreiten.

Technische Weiterentwicklung

Im laufe der Jahrzehnte wurde die Bildaufnahme von analog Film auf digitale Sensoren umgestellt.
Die Sensoren werden billiger in der Herstellung wenn sie kleiner sind – stellen aber höhere Ansprüche an die Objektive.
Neue Objektive müssen her, um Schritt zu halten.
Zum einen wurden für eine Zeit lang die Bildpunkte immer kleiner, dann wurde die Anzahl der Bildpunkte grösser und grösser.
Im Profibereich gibt es (im Jahr 2008) Digitalkameras mit 40-50 Millionen Bildpunkten.
Im Konsumerbereich merkt man (Ende 2008, endlich) dass mehr Bildpunkte (bei gegebener Optik und gegebener Sensorgrösse) durchaus nicht bessere Bilder versprechen!